Schüler treten im Ballhof auf (HAZ vom 12.07.22)

Schüler treten im Ballhof auf (HAZ vom 12.07.22)

KGS-Theatergruppe spielt Stück nach Motiven von Shakespeare, Schiller und Fontane vor 60 Gästen / Am 12. Juli ist das Stück in der Eisfabrik zu sehen

Pattensen. Etwa in der Mitte des Theaterstücks „Shut up, Bitches (oder keep sweet)“ eskaliert es. Die Stimmen der acht weiblichen Charaktere schwellen zu einem lauten Summen an, das auch Nils Felix Hartmann in seiner Rolle als Baron von Innstetten nicht mehr ignorieren kann. Er bricht auf der Bühne zusammen und hält sich verzweifelt die Hände an die Ohren. Dem zweiten männlichen Darsteller, Dimitri Melnik, geht es ähnlich. Dann schlagen die acht Mädchen und jungen Frauen ihre Puppen auf der Bühne kaputt. Die Botschaft ist klar: „Wir Frauen werden nicht mehr schweigen.“

Projekt vom Bund gefördert

Unter der Leitung von Petra Schmitmeier hat die Theater-AG der KGS Pattensen ihr neues Stück innerhalb des mit Bundesmitteln geförderten Projekts „Jugend spielt für Jugend“ im Ballhof in Hannover am Freitagabend vor mehr als 60 Gästen aufgeführt. Schmitmeier hatte das Stück nach Motiven des Buches „Wenn du geredet hättest, Desdemona“ von Christine Brückner verfasst.

In dem Stück kommen Desdemona aus Shakespeares Stück „Othello“, Luise Miller aus Schillers Stück „Kabale und Liebe“ und Effi Briest aus dem gleichnamigen Roman von Theodor Fontane ebenso zu Wort wie Königin Marie Antoinette und Maria von Nazareth, die Mutter von Jesus. Sie alle fügen sich nicht in ihr Schicksal, sondern brechen aus, klagen an.

Schmitmeier hat das Stück den fünf Hauptpersonen entsprechend episodenhaft angelegt. Sophie Stettner gibt als Desdemona gleich zu Beginn die Richtung vor: „Ich werde nicht um Hilfe rufen, aber ich werde lauter sprechen“, sagt sie bestimmt. Die Sprache wechselt in dem Stück zwischen Original-Sätzen von Shakespeare oder Schiller und einer modernen Alltagssprache. So sagen zum Beispiel die Frauen, die sich in dem Stück immer wieder zu einer Art griechischem Chor verbinden, zu Ferdinand aus „Kabale und Liebe“: „Der ist voll der Controller. Ich würde sagen Narzisst.“ Gegen Ferdinand zieht Emma Umgelder als dessen Geliebte Luise Miller ins Feld.

Figuren der Zeitgeschichte

Effi Briest wird von Emma Schlegel gespielt. Sie wirft ihren Mann, Baron von Innstetten, vor, dass er ihre Lebenslust zwar geliebt habe. „Doch dennoch wolltet ihr mich anders, von allem weniger“, sagt sie. Dann wechselt das Stück zu den realen Personen Marie Antoinette, gespielt von Sophie Gemen, und ihrer Mutter, Kaiserin Maria Theresia von Österreich, gespielt von Mia Cecile Schumacher. Hier wird ein Konflikt zwischen zwei Frauen gezeigt, der aber das gleiche Thema hat.

Marie Antoinette wurde im Alter von 14 Jahren nach Frankreich gebracht, um dort den späteren König Ludwig XVI. zu heiraten, der zu dem Zeitpunkt nur ein Jahr älter war als sie. Ihre Mutter forderte von ihr, sich an die Verhältnisse anzupassen. Doch Schauspielerin Sophie Gemen machte die Wut der Marie Antoinette darüber deutlich, in einem Land leben zu müssen, das sie nicht kennt, verheiratet „mit einem impotenten 15-Jährigen, der sich immer wieder auf mir abmüht.“

Am Ende tritt schließlich Svetlana Melnik als Maria von Nazareth auf. Auch sie reflektiert ihre ungewollte Rolle. „Niemand hat mich je gefragt, ob ich die Auserwählte sein will“, sagt sie. Bevor der Vorhang fällt, erhebt sie sich und tanzt, frei von Fesseln.

Keine Nachwuchssorgen

Für Abiturient Hartmann war es das letzte Theaterstück an der KGS. Dimitri Melnik und Stettner werden die Schule voraussichtlich im nächsten Jahr verlassen. Doch der Nachwuchs steht schon bereit. Neben den bereits genannten Schauspielerinnen sind dies auch noch die Fünftklässlerin Emma Jacobs und die Sechstklässlerin Hermine Jautzus. Eigene Sprechrollen hatten die beiden dieses Jahr noch nicht, doch sie waren unter anderem Teil des griechischen Chors.

Das Stück „Shut up, Bitches (oder keep sweet)“ wird am Dienstag,
12. Juli, um 18 und um 19.30 Uhr in der Eisfabrik in Hannover aufgeführt. Der Eintritt kostet 5 Euro.

Text/Bild: Tobias Lehmann (HAZ)