„Heißer Stuhl“ ist unbequem (HAZ vom 30.09.22)

„Heißer Stuhl“ ist unbequem (HAZ vom 30.09.22)

KGS-Oberstufe und Jugendparlament veranstalten Podiumsdiskussion mit den Wahlkreis-Kandidaten für die Landtagswahl

Pattensen-Mitte. Mit so einer Frage hatte die SPD-Landtagsabgeordnete Silke Lesemann sicherlich nicht gerechnet. „Sind Sie nicht nur bei Ihren Wahlsprüchen themenlos“, fragte Pattensens Jugendbürgermeister Mirco Kosian. Lesemann schluckte, blickte irritiert und antworte nach der wiederholten Frage: „Nein.“ Ähnlich versuchte Katja Ritter vom Jugendparlament (Jupa) den CDU-Kandidaten Sepehr Amiri zu locken: Seine Wahlplakate hätten sich bereits an die der AfD angepasst. Ob das auch bei den Inhalten der Fall sei? „Niemals!“, lautete seine Antwort. Vor Beginn der Podiumsdiskussion mit fünf Kandidatinnen und Kandidaten habe Ritter „zittrige Hände“ gehabt und sei „sehr nervös“ gewesen. Doch mit ihren beiden Mitstreitern sorgte sie für ein erfrischendes Format, mit dem sie der Politikverdrossenheit bei Jungen entgegenwirken möchten.

Politiker aller aktuell im Landtag vertretenen Parteien waren zu der Veranstaltung eingeladen. Neben Lesemann und Amiri waren Dirk Knoop (FDP) und Rene Kühn (AfD) dabei. Julian Lindemann (Bündnis 90/Die Grünen) hatte aus terminlichen Gründen abgesagt. Er wurde vom Hannoveraner Kandidaten Norbert Gast vertreten. Die Linke fehlte, weil sie aktuell nicht dem Landtag angehört.

Nur mit Ja oder Nein antworten

Besonders erfrischend war die Runde mit dem sogenannten „heißen Stuhl“. Die Politiker durften der Reihe nach Fragen nur mit Ja oder Nein beantworten. In dieser Runde stichelten die Moderatoren teils gegen die Kandidaten. „Wir hatten die Idee, dass sie sich klar für etwas bekennen oder sich gegen etwas aussprechen, ohne viele Worte zu verlieren“, sagte Ritter. Bei der Vorbereitung auf die Veranstaltung hätten die drei Moderatoren relativ freie Hand gehabt, sagt Politiklehrer Philipp Scheel.

Im vergangenen Jahr sei er noch intensiver bei der Vorbereitung auf die Podiumsdiskussionen zur Kommunal- und Bundestagswahl gewesen. „Schülerinnen und Schüler müssen sich aber auch mal ausprobieren“, sagte Scheel. Lediglich die Themenschwerpunkte mit Mindestwahlalter, Bildung und Digitalisierung, Klimaschutz und Nahverkehr sowie Landwirtschaft hätte er abgesegnet.

Die Umsetzung sei auch gelungen, sagte der stellvertretende Schulleiter Andreas Ulrich hinterher. Zwar kratzten die Fragen größtenteils an der Oberfläche und Themen der Bundes- und Landespolitik gerieten durcheinander. Kritische Fragen richteten die Zuhörerinnen und Zuhörer in der KGS-Aula im letzten Teil der Podiumsdiskussion an die Politikerin und Politiker.

Lilli Engelhardt wollte von Knoop wissen, wieso Schülerinnen und Schüler in Berlin kostenlos mit der Bahn unterwegs sein können, das hier aber nicht funktioniere. „Schüler sollten den ÖPNV kostenlos oder zu einem sehr niedrigen Preis nutzen können. Aber es muss jede Maßnahme auch gegenfinanziert werden“, sagte der FDP-Kandidat. Mit Amiri ging Engelhardt gar in ein Zwiegespräch, weil der CDU-Kandidat ökologisch keinen Sinn darin sehe, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen einzuführen.

Mit dem geplanten Ausbau des Südschnellwegs in Hannover, der im Kontrast zu der Verkehrswende stehe, konfrontierte ein Schüler Silke Lesemann. Sie merkte an, dass man tatsächlich über die Umsetzung in dieser Form noch nachdenken solle. Ein Plädoyer für die Gleichstellung der Frau hielt ein anderer Schüler. Dieser wollte von Amiri und Kühn wissen, weshalb diese sich deutlich gegen eine Frauenquote in der Politik aussprechen. „Viele Frauen wollen etwas erreichen, weil sie gut sind. Und nicht, weil sie eine Frau sind. Wir haben so fantastische Frauen“, sagte Amiri. Diese würden sich in Zukunft gegenüber Männern problemlos behaupten – auch ohne Frauenquote.

Hilfe bei der Wahlentscheidung

Der 19 Jahre alte Colin aus dem 13. Jahrgang suchte direkt nach dem Ende der Veranstaltung das Gespräch mit Amiri. „Ich fand es gut, dass er seine Meinung vertreten hat, auch wenn sie nicht bei allen gut ankommt“, habe er dem CDU-Politiker gesagt. Das Politikinteresse halte sich bei ihm etwas in Grenzen. Gerade deshalb sei diese Veranstaltung gut. „Mir hilft es, die einzelnen Positionen der Parteien besser zu verstehen“, sagte er.

Dass Die Linke nicht vertreten war, fand hingegen Engelhardt unglücklich. „Das wäre noch interessant gewesen, schließlich treten sie auch zur Wahl an“, sagte sie. Sie hoffe, dass ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, die bereits wählen gehen dürfen, von ihrem Recht am 9. Oktober Gebrauch machen.

Die Veranstaltung wurde live im Internet auf dem Youtube-Kanal der Stadt Pattensen gestreamt. Allerdings war die Tonqualität in den ersten Minuten schlecht. Der Stream soll dennoch allen Interessierten zugänglich gemacht werden.

Text/Bild: Mark Bode (HAZ)